Heute feiern wir meine Mutter und ihr großartiges Leben. Ein Leben mit vielen Hochs und Tiefs. Sie war berühmt, als sie ein Tischtennis Starlet war und hochkarätige Wettbewerbspreise gewonnen hat, aber auch ihre Kämpfe als Unbekannte in einem fremden Land und den Schicksalsschlag als Witwe.
"Das alles gehört nun mal zum Leben", hat sie gesagt, wenn ich mit dem Leben nicht ganz einverstanden war. "Du musst schauen, was du daraus machst. Nimm dein Schicksal in die eigene Hand und mach das Beste daraus." Genau nach diesem Motto hat sie gelebt. Sie hat niemals über ihr Schicksal geklagt, selbst dann nicht, als sie vor 4 Jahren schwerkrank wurde.
"Ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, sprich nur ein Wort, dann wird meine Seele gesund."
Einmal fragte ich sie, ob sie böse auf den Gott sei, weil er sie so leiden läßt. "Warum soll ich dem Gott böse sein? Jesus hing am Kreuz, um andere zu retten. Was mir passiert, ist doch nichts dagegen."
Meine Tochter fragte mich letztens, was für einen Beruf Abu hatte. Ich musste erst einmal innehalten und fing dann an zu zählen: Tischtennis-Spielerin in der Nationalmannschaft Chinas fiel mir sofort ein. Englisch-Lehrerin auf dem Gymnasium, Tischtennis-Trainerin, Wissenschaftlerin in Sportpsychologie, Geschäftsfrau eines Reisebüros. Gerne wäre sie auch noch Pianistin und Künstlerin geworden.
Mit unermüdlicher Disziplin und größter Leidenschaft schaffte sie es, ihre Hobbies zum Beruf zu machen. Früher haben wir oft darüber gewitzelt und gesagt, dass ihr Leben eigentlich nur aus Spaß besteht, weil sie ihren Hobbies nachgehen darf und dabei auch noch Geld verdient. Aber wieviel Fleiß und Ausdauer muss dahinterstecken, um aus einem Hobby einen Beruf zu machen? ... das weißt nur sie selber.
Es gibt unzählige Adjektive, um meine Mutter zu beschreiben. Sie war stark und selbstbewusst, neugierig und ehrgeizig, mutig und gerecht, harmoniebedürftig aber auch kritisch. Vor allem aber war sie liebevoll... als Mutter, als Abu, als Freundin, Lehrmeisterin und Wegweiserin.
In den letzten Monaten hat sie uns als Familie noch enger zusammengebracht. Sie hat uns alle geformt, vor allem hat sie bei mir ihren letzten Schliff vollendet. Durch sie haben wir erfahren, was "Familie" bedeutet.
"Ich bedauere nichts im Leben. Ich habe so viel erlebt und habe die ganze Welt bereist. Was ich sehen sollte, habe ich gesehen. Was ich erleben sollte, habe ich erlebt. Ich habe aus meinem Leben das Beste gemacht. Ich hatte großes Glück! Nun seid ihr am Zuge."
Jetzt ist sie gegangen, vereint mit meinem Vater und allen anderen Lieben.
Mama: ich kann mir keine bessere Mutter vorstellen. Im nächsten Leben möchte ich Dich wieder als Mutter haben. Danke für deine aufopfernde und bedingungslose Liebe mir und deinen beiden Enkelinnen gegenüber. Deine weisen Ratschläge, die schönen gemeinsamen Reisen, vor allem die China-Reisen, die vielen Diskussionen und Auseinandersetzungen beim Abendessen werden uns immer in Erinnerung bleiben.
Abu, wir lieben dich sehr und vermissen dich wahnsinnig! Wir freuen uns aber, dass du nun endlich von deinen Schmerzen und Leid befreit bist. Wir feiern dein Leben!
Deine Tochter Lulu, mit Schwiegersohn Max und Enkelinnen Ailin und Lili